
Digitaler Führerschein, digitale Behörden, E-Rezept…die Liste der Ansprüche an die digitale Transformation Deutschlands ist lang. Leider prallt hier jedoch allzu oft Anspruch auf Wirklichkeit, denn Deutschland hinkt in Sachen Digitalisierung gewaltig hinterher. Bestes Beispiel: Fax als Kommunikationsmittel. Es ist bereits seit langem aus der Zeit gefallen und entspricht keinesfalls den heutigen Anforderungen, auch nicht denen an den Datenschutz (Stichwort DSGVO). Es ist jedoch immer noch im Einsatz, sodass im Bundestagswahlkampf 2021 eine politische Partei den Finger in die Wunde legte und mit dem Faxausstieg bis 2038 warb.
Eine kleine Zeitreise: Was ist Fax eigentlich genau und wozu dient es?
Die ersten Faxgeräte in Deutschland kamen bereits in den 1970er-Jahren auf (damals noch Fernkopierer genannt), es dauerte jedoch bis Ende der 1980er-Jahre, bis sich das Fax in den Büros etablieren konnte. In den 1990er-Jahren war es flächendeckend in Unternehmen vertreten, bevor es dann zunehmend von der E-Mail verdrängt wurde.
Den Älteren mag das Konzept des Fax bekannt sein, doch gerade für jüngere Menschen ist Fax oftmals kein Begriff – sie haben entweder noch nie vom Fax gehört oder aber sie wissen nicht, was es damit überhaupt auf sich hat.

Ein was?: Über ein Viertel der Kinder und Jugendlichen in Deutschland können mit dem Fax nichts anfangen.
Kinderleicht, aber sicher – das Fax durch eine moderne Kommunikationslösung ersetzen.
Daher ein kleiner Rückblick: Mit dem Faxgerät konnten Unterlagen übersendet werden. Ein Dokument wurde in den Faxeinzug gelegt und dann meist über das Telefonnetz (per Funk ist ebenfalls möglich) von der Absender- direkt an die Empfängerseite übertragen. Diese lediglich auf das Faxen ausgelegten Geräte hatten somit einen sehr überschaubaren Leistungsumfang. Im Laufe der Zeit wurden sie meist durch Multifunktionsgeräte ersetzt, in welchen das Faxen als eine Funktion neben Scannen, Kopieren und Drucken enthalten war.
Heutzutage werden virtuelle Fax-Server verwendet, mit denen Fax auch vom PC aus genutzt werden kann. Eingehende Fax-Nachrichten werden hier in E-Mails umgewandelt und dann in E-Mail-Postfächer zugestellt. Die Verlagerung in den Online-Bereich spart auf der einen Seite Papier und den Gang zum Faxgerät, auf der anderen Seite ist der Übertragungsweg hierbei dann nicht mehr direkt von Gerät zu Gerät.
Wo ist das Fax immer noch im Einsatz?
In Privathaushalten wird heute selten gefaxt; faxfähige Geräte im Haushalt sind eher ein Relikt, weil Multifunktionsgeräte eben oft auch die Faxfunktion mitbringen. Auch in der Wirtschaft spielt das Fax eine zunehmend geringere Rolle. Für die meisten Unternehmen ist dessen Nutzung in den letzten Jahren weiter zurückgegangen.

Fax verliert weiter an Boden: Starker Rückgang in der Nutzung bei Unternehmen im Zuge der Corona-Pandemie.
Gleichwohl ist das Fax in manchen Branchen immer noch ein wichtiger Pfeiler für die Kommunikation. Im Rechtswesen, bei Behörden und auch im Gesundheitswesen ist es weiterhin im Einsatz.
Beispiel 1: Mehraufwand durch Fax (Bericht des SWR zu diesem Thema)
Kliniken in Baden-Württemberg faxen ihre Bettenbelegung mit Corona-Patientinnen und -Patienten an die Gesundheitsämter, weil es auch nach über eineinhalb Jahren Pandemie an einer digitalen Schnittstelle fehlt. Diese ist auf Bundesebene zwar geplant, aber, wie so oft in Sachen Digitalisierung in Deutschland, steht ein konkretes Datum hiefür noch nicht fest. Das besonders Absurde: Die Daten liegen elektronisch schon vor, da die Belegung der Intensivstation täglich an zwei verschiedene Register weitergeleitet wird. Diese beiden Register sind, wie sollte es auch anders sein, nicht miteinander synchronisiert, was für das Klinikpersonal bereits einen vermeidbaren Mehraufwand bedeutet. Für das Faxen aber ist obendrauf auch noch ein Medienbruch notwendig: Die relevanten Daten müssen erst aus dem Krankenhaussystem auf einen Meldebogen übertragen werden, bevor sie dann per Fax weitergeleitet werden können. Gerade dieser Tage ist zusätzlicher Aufwand wirklich das Letzte, was das Personal brauchen kann.
Beispiel 2: Fax im Konflikt mit dem Datenschutz (Video des NDR zu diesem Thema auf Youtube)
Eine Partei aus Hamburg wollte an der Bundestagswahl 2021 teilnehmen, wurde aber vom Bundeswahlleiter abgelehnt. Für die Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht (BVG) war nur vier Tage Zeit. Der Postweg würde also zu lange dauern und E-Mail wurde vom BVG nicht akzeptiert (BVG: „Das Fax wahrt die gesetzliche Schriftform. Eine elektronische Übermittlung ist derzeit gesetzlich nicht vorgesehen.“). Es blieb also nur das Fax. Jetzt verfügte die Partei aber nicht über ein Faxgerät und musste für die Übertragung ein Gerät in einem Copyshop nutzen.
Die Eilentscheidung des BVG zur Beschwerde wurde an die Partei dann per Post übermittelt und auch per Fax – und zwar an dieselbe Faxnummer, von welcher die Beschwerde an das BVG übertragen wurde. Das Fax des Bundesverfassungsgerichts wurde letztlich also an den Copyshop versendet.
Risiken durch Faxnutzung
So einfach das Faxen für Nutzer war, so einfach konnten sich Zahlendreher beim Eintippen der Empfängernummer einschleichen und das vertrauliche Dokument ging an den falschen Adressaten. War das Fax erst mal weg, konnte nicht mehr rückabgewickelt werden. Und selbst wenn die eingegebene Faxnummer stimmte: Wer konkret auf der Empfängerseite das Fax dann letztlich zu Gesicht bekam, hing letztlich auch davon ab, wer zum fraglichen Zeitpunkt gerade am fraglichen Faxgerät stand. Von nachvollziehbarer Vertraulichkeit konnte also nicht die Rede sein.
Auch die moderneren Faxübertragungswege bieten keinen effektiven Datenschutz: Wenn Faxe zu E-Mails umgewandelt werden, dann kann von der Senderseite weder durchgesetzt noch in Erfahrung gebracht werden, dass dies verschlüsselt geschieht. Die Übertragung findet also nicht DSGVO-konform statt. Kein Wunder also, dass die Bremer Landesdatenschutzbeauftragte dem Fax die DSGVO-Compliance abgesprochen hat. Wie das jetzt mit der oben genannten Faxaktion des Bundesverfassungsgerichts zusammenpasst, dürfte sich vermutlich nur wenigen Auserwählten erschließen.
Für Unternehmen bietet das Fax also allerspätestens seit Inkrafttreten der DSGVO keinen datenschutzkonformen Übertragungsweg dar, zumal auch die eigenen Geschäftsgeheimnisse und das firmeneigene geistige Eigentum mit dem Kommunikationsmittel Fax nicht auf eine Weise übermittelt wird, welche sie vor unbefugten Dritten schützt.
Wie Unternehmen mehr Compliance in der digitalen Kommunikation erreichen.
Wieso ist das Fax auch heute noch in den Schlagzeilen?
Durch die beinahe possenhaft anmutenden Berichte rund um das Fax und dessen Einsatz hat das Thema digitale Kommunikation in den letzten Monaten vermehrt mediale Aufmerksamkeit erfahren. Überrascht haben dürfte viele vor allem, wie oft das Fax gerade in wichtigen Bereichen wie der Medizin und den Behörden auch im Jahr 2021 immer noch im Einsatz ist.
Ein wesentlicher Grund hierfür ist vermutlich schlicht die Tatsache, dass das Fax etabliert ist und es daher bereits zur Nutzung bereitsteht. Da die Digitalisierung in den letzten Jahren in vielen Bereichen so schleppend umgesetzt wurde, fehlt es wohl auch schlicht an Alternativen. In anderen Worten: Wer zu spät kommt, der faxt im Leben.
Beim Thema Digitalisierung stellt die Bevölkerung in Deutschland der Politik schlechte Noten aus.
Was schlagzeilenförderlich hinzukam: Das Thema Fax reiht sich nur zu leicht in die Reihe anderer Bemühungen ein, die in den vergangenen Monaten ein wenig schmeichelhaftes Licht auf den Fortschritt der Digitalisierung in Deutschland warfen. Einige Beispiele:
- Wie heise berichtete, wurde die Einführungsphase für das E-Rezept verschoben, im Oktober 2021 hätte sie starten sollen. Gleichzeitig beginnt ab Januar 2022 die Einführungspflicht.
- Laut eines weiteren Berichts von heise wurde die App "ID Wallet" für den digitalen Führerschein nach nur einer Woche wieder aus den App-Stores herausgenommen. Eine hohe Anzahl an Nutzeranfragen hatte bereits kurz nach Start zu technischen Schwierigkeiten geführt. Ein Opfer des eigenen Erfolgs, könnte man meinen, doch Sicherheitsexperten führten kurz darauf auch Bedenken bezüglich der Infrastruktur und Blockchain-Technik der App an.
- Im von der FDP-Bundestagsfraktion in Auftrag gegebenen Digitalisierungsmonitor 2021 des Meinungsforschungsinstituts Forsa spüren 94% der Bürger "große Defizite" in der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung. 86% der Bürger sind bereit, Dienstleistungen der Behörden online zu nutzen, auch wenn sie bisher keine Erfahrung damit hatten; gleichzeitig finden 88%, dass die Politik zu wenig dafür tut, die Bevölkerung in Deutschland "auf das digitale Zeitalter und die damit verbundenen Folgen" vorzubereiten.
- In einem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) vom Frühling 2021 mit dem Thema "Digitalisierung in Deutschland – Lehren aus der Corona-Krise" wurde Kritik besonders gegenüber der öffentlichen Verwaltung und dem Bildungssystem deutlich. So heißt es: "Deutschland leistet sich in der öffentlichen Verwaltung Strukturen, Prozesse und Denkweisen, die teilweise archaisch anmuten. Digitale Transformation stockt, wenn es keine Vorbilder gibt. Die politische und administrative Führung der Organisationen muss digitale Transformation wollen und bereit sein, die Dringlichkeit der Transformation auch effektiv in die jeweilige Organisation zu vermitteln." (S. 21)
- Gemäß den Umfrageergebnissen des Digitalverbands Bitkom nutzt ein Fünftel der Ärzte noch das Fax für die Kommunikation.
Nicht das Fax an sich sollte jedoch belächelt werden – dies würde zu kurz greifen. Das Fax war eine gut funktionierende und legitime Lösung für die die damaligen Bedürfnisse und hatte seine Daseinsberechtigung. Es setzte sich auch in der Breite erfolgreich durch und konnte in Sachen intuitive Nutzerfreundlichkeit auf eine Weise punkten, von der so manche moderne Kommunikationslösung nur träumen kann. Wer einmal ein Fax versendet hat, weiß auch Jahrzehnte später noch, wie das geht. Und wie sich herausstellt, kann man in Deutschland von diesem Umstand sogar im Jahr 2021 noch profitieren.
Lächerlich ist vielmehr die Tatsache, dass das Fax in Deutschland auch heute noch für derart viele Kommunikationsvorgänge herhalten muss und es in all den Jahren, oder vielmehr Jahrzehnten, nicht erfolgreich durch andere Lösungen ersetzt werden konnte. Die Anforderungen an Kommunikationslösungen sind heute nämlich fundamental andere als damals vor 30 oder 40 Jahren. Europäischen Nachbarn aus den Niederlanden oder Estland ist es schwer zu vermitteln, dass in Deutschland im Jahr 2021 noch auf das Fax zurückgegriffen werden muss, um in der Corona-Krise die Bettenbelegung der Kliniken zu kommunizieren. So ist das Fax zugleich auch Sinnbild dafür, wie Deutschland die Digitalisierung nicht erfolgreich aktiv gestaltet, sondern viel zu oft von dieser vor sich hergetrieben wird.
Sichere digitale Kommunikationslösungen in Multifunktionsgeräte integrieren.
Wie kann das Fax erfolgreich ersetzt werden?
Fax hatte sicherlich seine Berechtigung und seine Rolle in der Kommunikation – diese liegen jedoch in der Vergangenheit. Für die meisten Zwecke im heutigen Geschäftsalltag hat es heute ausgedient. Zum einen hinkt Fax im Funktionsumfang den Anforderungen der digitalen Ära hinterher, zum anderen ist es nicht datenschutzkonform und somit ein Risiko, welches für Unternehmen juristische Angriffsfläche bietet und das firmeneigene geistige Eigentum gefährdet.
Im digitalen Zeitalter kann das Fax also nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Es ist Zeit, probate Alternativen flächendeckend zum Einsatz zu bringen. In vielen Bereichen der Digitalisierung ist besonders die Politik gefragt, als Treiber wie auch Begleiter, welcher Unternehmen in ihren Digitalisierungsprozessen unterstützt und das Thema Digitalisierung in die Bevölkerung trägt – nicht zuletzt durch eine erfolgreich digitalisierte öffentliche Verwaltung. Es muss ein Umdenken her, bei dem auch altbekannte Strukturen hinterfragt und überprüft werden, denn wie es in dem bereits zitierten Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats heißt, "beruht der Rückstand Deutschlands bei der Digitalisierung oftmals weniger auf fehlenden finanziellen Mitteln oder Marktversagen, sondern auf verschiedenen Formen von Organisationsversagen. [...] Digitale Transformation muss mit einer Reform von Organisationen und Prozessen einhergehen. Etablierte Gesetze und Organisationsweisen müssen auf ihre Eignung in einer digitalen Welt hin überprüft und reformiert werden." (S. 24)
Gerade weil das Fax auch ein Spiegelbild für die bisherigen Digitalisierungsbemühungen in Deutschland darstellt, ist es höchste Zeit, dass beim Thema moderne digitale Kommunikation endlich nachgearbeitet wird. Die europäischen Nachbarn haben es schließlich vorgemacht, dass es eine Welt nach dem Fax gibt. Gerade in den Branchen, in denen (oft mangels angebotener Alternativen) noch fleißig gefaxt wird, müssen moderne Kommunikationslösungen etabliert werden, die DSGVO-konform, einfach in der Nutzung und sicher im Austausch sind und im Arbeitsalltag erheblichen Aufwand einsparen. Und die mittels API die Verknüpfung mit anderen Systemen ermöglichen und so echten Mehrwert in Sachen Automation bringen. Es sei denn, wir wollen der Jugend in Deutschland das Faxen lehren, damit sie für eine berufliche Zukunft hierzulande gerüstet ist.
Wie aus den aktuellen Koalitionsverhandlungen zu vernehmen ist, drängt die FDP auf ein Digitalministerium. Arbeit jedenfalls gäbe es genug. Vielleicht gelingt es der neuen Bundesregierung ja, in der digitalen Transformation den ganz großen Wurf zu landen und an der erfolgreichen Ablösung des Fax mitzuwirken. Vielleicht sogar schon bis 2038.
Fax-Ausstieg jetzt, ohne die unternehmenseigenen Workflows zu ändern.